Biken mit Boris – ein Selbstversuch

Links. Links! Liiinks!! Man kann sich das als Radler in London gar nicht oft genug vorsagen. Doch es gibt noch größere Herausforderungen für den todesmutigen Touristen. Zunächst einmal muss man das Mietrad aus der Halterung bekommen. Der Automat funktioniert mit Kreditkarte. Die Barclays Bikes stecken aber so fest in der Halterung, das nur eines hilft: Gewalt! Stabil wie Panzer sind sie, die Boris Bikes, die der demonstrativ radelnde Bürgermeister Boris Johnson überall aufstellen und von der Barclays Bank sponsern ließ.

Da die Straßen chronisch überfüllt sind, versprach man sich von den Rädern Entlastung. Ein Trugschluss. Denn dem radelnden Urlauber begegnen vor allem: andere radelnde Urlauber. Gerne mal als Guck-in-die-Luft und oft weit rechts. Dem Londoner selbst sind die Mieträder zu teuer. Zwar wird mit „erste halbe Stunde gratis“ geworben, doch danach steigt der Preis exponentiell.

Trotzdem macht es Spaß, sich diese Stadt im Sattel zu erobern – wenn man ein paar Regeln beachtet: Straßen mit zwei roten Streifen am Rand, also etwa Piccadilly, meiden! Im Zweifel, etwa auf der Tower Bridge, immer auf dem Gehweg fahren! An Kreuzungen zuerst und zuletzt immer rechts schauen!

Also los vom Buckingham Palace, The Mall entlang zum Trafalgar Square hoch, einmal im Gewusel den Nelson umkurven und dann triumphierend wie auf dem Ross die Imperialisten-Prachtstraße White Hall hinunter. Für die Strecke hätte man sich zu Fuß die Sohlen blutig gelaufen. Am Gatter vor der Downing Street kurz bremsen und wie alle anderen reinglotzen. Auf einmal bewegt sich das Drehkreuz und rotiert einen Mann mit hellblondem Schopf heraus, der unverkennbar Boris Johnson ist. Hat wahrscheinlich mit seinem best buddy Cameron über den drohenden Verkehrskollaps während der Spiele gesprochen. Heute fährt er aber mal nicht mit dem Rad, sondern geht zu Fuß die White Hall hinunter, wohl zum Mittagessen.

Gute Idee. Radeln macht hungrig, also hinauf nach Soho, da gibt es viele Fressbuden. Hoffentlich gibt es auch eine Rückgabestation fürs Bike, denn so langsam wird es teuer. Trafalgar wird diesmal schiebend überquert, die ganzen Abbiegespuren in die falsche Richtung, das ist für ein unterzuckertes, kontinentales Gehirn zu viel. Where the hell ist eine Rückgabestation? Als endlich eine gefunden ist, sind alle Plätze belegt. „Alle Plätze belegt?“, fragt das Display und gewährt 15 gratis „Extra-Minuten“. An der nächsten Station stehen aber bereits zwei verzweifelte Radler, weil dort auch alles voll ist. Also weiter.

Endlich, in der Sackville Street, ist ein Platz frei. Euphorisch wie über einen Sechser im Lotto, stoße ich das Rad mit Kraft in die Vorrichtung. Preis für das dreistündige Abenteuer: 16 Pfund, rund 20 Euro.

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