Wurst und Spiele

Der Kölner Jürgen Männel war früher Broker in Londons Finanzviertel. Im Zuge der Finanzkrise entschied er sich, „auf die andere Seite der Theke zu wechseln“ und eröffnete an der Themse in Kennington das Zeitgeist, Londons erstes Pub mit deutschem Bier und deutscher Küche. Engländer kommen zum Currywurst- und Schnitzel-Essen, die deutsche Gemeinde Londons zum Bundesliga-Gucken. Natürlich werden auch die Olympischen Spiele auf Leinwänden im Pub gezeigt.

Herr Männel, Sie haben den Zeitgeist erkannt und die Finanzbranche mit dem Pub vertauscht. Warum?

Männel: Ich habe den Job als Wertpapier- und Warenhändler 13 Jahre lang gemacht und wollte einfach etwas anderes tun, das lag nicht nur an der Finanzkrise. Als ich vor fünf Jahren endlich ein schönes Pub ohne Brauereibindung gefunden hatte, schlug ich zu. Wir wollten einen deutschen Namen, der auch im Englischen gebräuchlich ist. Per Google haben wir drei gefunden: Kindergarten, Luftwaffe und eben Zeitgeist. Luftwaffe schied aus, Kindergarten haben wir uns ernstlich überlegt.

Wird zum Public Viewing während Olympia bei Ihnen viel los sein?

Wir zeigen die Sportwettbewerbe auf deutschen Fernsehsendern. Aber im Gegensatz zur Fußball-EM, wo wir eine regelrechte deutsche Hochburg waren, glaube ich, werden die wenigstens Deutschen aus London extra zu uns kommen, um Olympia zu gucken. Aber diejenigen, die hier in Kennington wohnen, werden sicherlich in der Mittagspause oder abends Wettbewerbe bei uns anschauen. Am Wochenende haben wir auch immer deutsche Touristen, denn das London Eye ist um die Ecke.

Haben Sie mehr deutsche oder englische Gäste?

An den Wochenenden, wenn wir die Bundesliga zeigen, sind die Deutschen in der Überzahl. Zum typischen Feierabendbier unter der Woche kommt aber die typische Londoner Multikulti-Mischung. Kennington war früher eher ein Arbeiterviertel und ist zum Wohnen immer noch nicht besonders attraktiv. Aber der britische Geheimdienst und Interpol haben hier ihre Niederlassungen, bald zieht auch die amerikanische Botschaft hierher. Und ich bin froh, dass die Engländer und Amerikaner unsere Küche schätzen gelernt haben, das war anfangs nämlich etwas schwierig.

Wollten die keine Currywurst?

Tatsächlich hat es länger gedauert, bis die begriffen haben, warum man eine Wurst klein schneidet, Tomatensoße drüber und dann noch Curry drauf tut. Aber jetzt ist das neben der Käsekrainer das beliebteste Gericht. Wir haben auch selbstgemachte Spätzle oder Rinderbraten, aber für die meisten Engländer ist die Lederhose die deutsche Kleidung und deutsches Essen ist eben die Wurst. Und die bekommen sie bei uns. Außerdem haben wir 25 deutsche Fass- und noch mal so viele Flaschenbiere, die wir aber immer wieder wechseln. Gerade gibt es Augustiner, das freut die Münchner hier natürlich sehr.

Welches ist der Hauptunterschied zwischen der deutschen Kneipen- und der englischen Pubkultur?

Da muss ich jetzt als Wirt aufpassen, was ich sage. Natürlich gibt es in deutschen Kneipen auch genügend Leute, die einen übern Durst trinken. Aber generell steht eher die Gemütlichkeit im Zentrum, die Leute wollen einen schönen Abend verbringen, gut essen und sich nicht einfach nur volllaufen lassen. So ist das auch bei uns im Zeitgeist, wo wir längere Öffnungszeiten haben. In vielen englischen Pubs, die bereits um 23 Uhr zusperren, geht es oftmals nur um Kampftrinken, bis die Glocke zur letzten Runde ertönt.

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